Ein Skandal erschüttert derzeit die Justiz in Marbella: Ein Gerichtsschreiber wird beschuldigt, Kryptowährungen im Wert von rund 17 Millionen Euro veruntreut zu haben. Die digitalen Vermögenswerte waren zuvor im Rahmen einer Polizeioperation gegen organisierten Drogenhandel sichergestellt worden.
Der Fall geht zurück auf eine groß angelegte Ermittlung der Nationalpolizei, die unter dem Namen „Operation Geld“ lief. Ziel war ein 24-jähriger Niederländer, der von Marbella aus mit raffinierten Betrugsmaschen Millionen erbeutet hatte – teils von kriminellen Organisationen. Bei seiner Festnahme im September 2024 konnte die Polizei digitale Geldbörsen sicherstellen, deren Wert durch Kursanstiege auf 17 Millionen Euro gewachsen war.
Diese Wallets und die dazugehörigen Zugangsdaten wurden versiegelt und unter gerichtliche Aufsicht gestellt – zunächst vor Ort, später in einem besonders gesicherten Tresor in Madrid. Doch als Beamte der staatlichen Vermögenssicherungsstelle ORGA im Januar 2025 auf Anweisung eines Gerichts versuchten, die digitalen Mittel in reguläre Währung zu überführen, waren die Wallets leer.
Eine interne Untersuchung förderte bald Ungeheuerliches zutage: Der Hauptverdächtige ist ausgerechnet ein Justizbeamter des Amtsgerichts Marbella. Er hatte zeitweise die Aufgaben der Leiterin des Gerichts übernommen, die auf Dienstreise in Madrid war. Ermittlungen ergaben, dass er sich selbst als „Krypto-Investor“ bezeichnete und kürzlich eine eigene digitale Geldbörse eingerichtet hatte. Zudem verzögerte er mutmaßlich absichtlich den Transport der versiegelten Zugangsdaten nach Madrid – offenbar, um Zeit für den Diebstahl zu gewinnen.
Entscheidend für den Ermittlungserfolg war ein Durchsuchungsbefehl, mit dem gleichzeitig drei Orte durchsucht wurden, an denen der Beamte die Zugangsdaten versteckt haben könnte. Die Polizei wurde fündig: Die kryptografisch sensiblen Schlüssel befanden sich auf einem Stück Papier, das unter dem Türrahmen einer der durchsuchten Wohnungen versteckt war – in Form eines kryptischen Codes aus zwölf Wörtern, die vollen Zugang zu den Wallets gewährten.
Der Beschuldigte hatte sich über ein Auswahlverfahren für juristische Aushilfskräfte beworben und arbeitete von Oktober 2023 bis Ende 2024 im Gericht von Marbella. Es war sein erster Einsatz in einem Justizorgan, zuvor war er lediglich als Verwaltungsmitarbeiter tätig.
Am 9. April 2025 wurde er einem Haftrichter in Málaga vorgeführt. Nach seiner Aussage wurde er unter Auflagen vorerst freigelassen. Zu den Maßnahmen zählt die sofortige Suspendierung vom Justizdienst. Ihm werden die Veruntreuung von öffentlichen Geldern und Treuebruch im Umgang mit amtlichen Dokumenten zur Last gelegt. Der Fall liegt nun beim Untersuchungsgericht Nummer 4 in Marbella. Das Justizministerium wurde zudem ersucht, ihn dauerhaft aus dem Bewerberpool für Justizstellen zu streichen.