Was sonst der Saharastaub verursacht, zeigt sich nun in anderer Gestalt am Himmel: Kein Calima, sondern Rauchschwaden aus Kanadas lodernden Wäldern tauchen den Himmel über der Iberischen Halbinsel in fahles Licht – nach Tausenden Kilometern Reise.
Wer in diesen Tagen in Spanien, insbesondere im Westen des Landes, gen Himmel blickt, mag sich verwundert die Augen reiben. Eine diffuse, orange-rötliche Trübung, die an die bekannte Calima erinnert, liegt in der Luft. Doch die Ursache ist diesmal nicht der feine Wüstensand aus der Sahara, sondern ein weitaus bedrohlicherer Bote: Rauchpartikel, die von den verheerenden Waldbränden in Kanada stammen und auf ihrer Reise über den Atlantik nun Europa erreicht haben.
Der Copernicus-Atmosphärenüberwachungsdienst (CAMS) der Europäischen Union, eine der weltweit führenden Institutionen zur Beobachtung der Erdatmosphäre, bestätigte am Dienstag die transatlantische Odyssee der Rauchschwaden. „Satellitenbeobachtungen zeigen deutlich den Ferntransport von Rauch aus den kanadischen Waldbränden über den Atlantik bis nach Europa“, heißt es in einer aktuellen Mitteilung. Bereits seit Mai wüten in den kanadischen Provinzen Saskatchewan, Manitoba und Ontario massive Feuer, die sich in der zweiten Maihälfte dramatisch intensivierten.
Die unsichtbare Reise der Rauchpartikel: Wie Pyrocumulonimbus-Wolken den Rauch in die Stratosphäre katapultieren
Die enorme Hitzeentwicklung dieser Großbrände führt zur Bildung sogenannter Pyrocumulonimbus-Wolken. Diese gewaltigen, durch die Feuer selbst erzeugten Gewitterwolken wirken wie gigantische Schornsteine und katapultieren Rauch, Asche und Feuchtigkeit bis in die obere Troposphäre und teils sogar in die untere Stratosphäre – Höhen von über 10 Kilometern sind dabei keine Seltenheit. Einmal in diesen atmosphärischen Schichten angekommen, werden die feinen Partikel von den mächtigen Jetstreams erfasst, Starkwindbändern, die den Globus umspannen, und können so über Tausende von Kilometern transportiert werden.
CAMS-Analysen der optischen Tiefe von Aerosolen dokumentieren, dass eine erste, größere Rauchfahne bereits am 1. Juni den Nordwesten Europas erreichte, nachdem sie teilweise die Azoren überquert hatte. Die aktuellen Prognosen vom 2. Juni lassen keinen Zweifel: Weitere, potenziell dichtere Rauchfahnen werden im Laufe dieser ersten Juniwoche Europa und somit auch Spanien erreichen. Dies könnte nicht nur zu einer sichtbaren Trübung des Himmels und spektakulär gefärbten Sonnenauf- und -untergängen führen, sondern auch die Luftqualität beeinflussen.
Apokalyptische Ausmaße in Kanada – Globale Folgen
Die Situation in Kanada selbst ist katastrophal. Über 25.000 Menschen mussten bereits ihre Häuser und Wohnungen verlassen, um sich vor den Flammen in Sicherheit zu bringen. Der Rauch dieser „Mega-Feuer“ hat die Luftqualität nicht nur in weiten Teilen Kanadas, sondern auch in den benachbarten USA drastisch verschlechtert und zu Gesundheitswarnungen geführt. Die ökologischen Folgen sind immens: Die Kohlenstoffemissionen aus diesen Bränden erreichen beispiellose Werte. Allein für die Provinz Manitoba schätzt CAMS die bis zum 2. Juni freigesetzte Menge auf rund 13 Megatonnen Kohlenstoff – das ist etwa das Dreifache des bisherigen Rekordwertes für denselben Zeitraum im Jahr 2023. Auch Saskatchewan verzeichnet die zweithöchsten Emissionen seit Beginn der detaillierten Aufzeichnungen.
Gesundheit im Fokus
Obwohl der Rauch in großer Höhe transportiert wird und die Konzentration der Partikel am Boden in Spanien voraussichtlich deutlich geringer sein wird als in Nordamerika, ist eine gewisse Vorsicht geboten. Insbesondere die feinen Rauchpartikel (sogenannte PM2.5) können bei Inhalation tief in die Lunge eindringen und gesundheitliche Probleme verursachen oder verschlimmern.
Betroffen sein können vor allem:
- Personen mit vorbestehenden Atemwegserkrankungen (z.B. Asthma, COPD)
- Menschen mit Herz-Kreislauf-Leiden
- Ältere Menschen und Kleinkinder
Mögliche Symptome umfassen Reizungen der Augen, der Nase und des Rachens, Husten, Kurzatmigkeit oder eine Verschlechterung chronischer Leiden. Experten raten, die Entwicklung der Luftqualität aufmerksam zu verfolgen. Informationen dazu bietet in Spanien beispielsweise die Webseite des Ministerio para la Transición Ecológica y el Reto Demográfico (MITECO), die tagesaktuelle Luftqualitätsindizes für verschiedene Regionen bereitstellt. Bei spürbarer Rauchbelastung und insbesondere für Risikogruppen empfiehlt es sich, anstrengende Aktivitäten im Freien zu reduzieren.