Die Tage werden kürzer, Halloween steht vor der Tür. Was liegt da näher, als sich nach einem Ort zu sehnen, an dem Mythen und Legenden lebendig sind? Knapp eineinhalb Autostunden von Málaga entfernt, in der Provinz Granada, liegt ein Dorf, das sich selbstbewusst als „Hexendorf“ inszeniert: Soportújar.
Manch einer mag bei diesem Begriff die Nase rümpfen. Ein ganzes Dorf, das sich dem Aberglauben verschrieben hat? Ist das nicht ein bisschen… rückständig? Aber wer so denkt, verkennt die clevere Strategie, die hinter dieser Selbstinszenierung steckt. Denn Soportújar hat aus der Not eine Tugend gemacht.
Von der Schmach zum Spektakel
Lange Zeit litten die rund 283 Einwohner unter dem Ruf als „Hexendorf“. Doch anstatt sich zu schämen, beschlossen sie 2017, das Image offensiv zu nutzen. Herausgekommen ist ein skurriles, aberwitziges Freilichtmuseum des Okkulten, das Besucher aus aller Welt anzieht.
Schon am Ortseingang werden die Besucher von Baba Yaga begrüßt, der slawischen Hexe, deren Haus auf Hühnerbeinen steht. Im Dorfzentrum sprudelt ein Brunnen mit angeblich aphrodisierendem Wasser aus dem Gemächt eines Drachen. Überall lauern riesige Hexenfiguren, Kobolde und Zauberer. Mülltonnen haben die Form von Hexenkesseln, und natürlich darf auch das Knusperhäuschen von Hänsel und Gretel nicht fehlen.
Marketing mit Augenzwinkern
Man könnte meinen, das alles sei Kitsch. Und ja, ein gewisser Hang zur Übertreibung ist unverkennbar. Aber gerade das macht den Charme von Soportújar aus. Die Inszenierung ist so augenzwinkernd und selbstironisch, dass man sich dem schrägen Humor kaum entziehen kann.
Die Bewohner haben verstanden, dass sich mit dem Thema Hexerei gutes Geld verdienen lässt. Und so wird am 8. November, pünktlich zu Halloween, ein großes Spektakel veranstaltet: mit Handwerks- und Gastronomiemärkten, Hexenumzügen, Gruselkabinett, Theateraufführungen und einem Kostümwettbewerb. Höhepunkt ist die „Queimada“, eine traditionelle galicische Feuerzeremonie, bei der ein Zaubertrank zubereitet und unter Beschwörungen verbrannt wird.
Mehr als nur Hexerei
Wer jetzt allerdings glaubt, Soportújar bestehe nur aus Hexerei, irrt gewaltig. Das Dorf hat noch einiges mehr zu bieten. Zum Beispiel die engste Gasse Andalusiens, die „Calle Zanjilla“, die an ihrer schmalsten Stelle gerade einmal 50 Zentimeter breit ist. Oder das erste buddhistische Zentrum Spaniens, das O Sel Ling, das vom Dalai Lama selbst geweiht wurde.
All das macht Soportújar zu einem faszinierenden Ort, der weit mehr ist als nur ein skurriles Hexendorf. Es ist ein Beispiel dafür, wie man aus einem negativen Image eine positive Marke machen kann. Und es ist ein Beweis dafür, dass Humor und Selbstironie die besten Waffen gegen Vorurteile sind.
